Sieben Kontinente,
drei Ozeane, etwa 200 Länder
und eine unvorstellbare Vielfalt
an Kulturen,
Tieren, Pflanzen und Landschaften.
Und meine Welt
reicht von der Haustür bis zur Arbeit
und zurück.
Jeden Tag dasselbe: Aufstehen,
nach Motivation suchen,
keine finden, trotzdem losfahren,
so lang, bis die Sonne untergeht,
schlafen,
und am nächsten Morgen
wieder dasselbe Spiel.
“Ein Spiel”.
Aber was ist das Ziel des Spiels?
Hat man irgendwann gewonnen,
oder kann man überhaupt nicht gewinnen?
Falls das Ziel ist, sein Glück zu finden,
habe ich die Taktik wohl nicht verstanden.
Ich habe schon mal
über eine Auszeit nachgedacht,
aber was wirklich helfen könnte,
ist ein Startschuss.
Ich bin immer wieder gefragt worden,
ob es nicht riskant ist,
per Fahrrad um die Welt zu fahren,
da die Welt gefährlich sei,
man sieht’s ja
jeden Tag in den Nachrichten.
Aber was erzählen die schon von der Welt?
Vielleicht ist es riskant,
vielleicht auch nicht,
aber in erster Linie
soll es ein riesiges Abenteuer werden.
Ich habe noch nie eine Radreise gemacht
und dementsprechend keine Erfahrung.
Aber ich bin nicht der Erste,
der so reist,
also muss es doch möglich sein.
Aber wie?
Das war jetzt nicht korrekt.
Der muss dahin.
Nein, warte mal…
-So, mein Bub.
-Mach’s gut.
-Pass auf dich auf.
-Du auch.
Wir sehen uns dann
in zweieinhalb Jahren oder so.
Na ja…
Tschüss, Dennis!
-Zdravo!
-Zdravo!
In den ersten Wochen
will ich erst mal wegkommen.
Und mit einem Fahrrad
funktioniert das ganz gut,
auch ohne vorher trainiert zu haben.
Natürlich sind so manche Tage
verdammt anstrengend,
aber mit jedem Tag wird es leichter.
Gibt’s in Deutschland auch, nicht?
Ich bin zwar allein unterwegs,
aber so wirklich allein bin ich nie.
Wie heißt ihr? Dimitri und…
-Nelina.
-Nelina.
Ab Wien bin ich der Donau gefolgt,
und nach nur fünf Wochen
erreiche ich das Schwarze Meer.
Geschafft!
Wie ist das Schwarze Meer?
Es ist wunderschön!
Es ist so schwarz!
Guck, wie schwarz es ist.
Nur ein paar Tage später
verlasse ich sogar schon Europa.
Was mit einem Fahrrad
so alles möglich ist…
So, da hinten ist die Brücke,
da muss ich nur noch drüber,
dann bin ich tatsächlich in Asien.
Kollege!
Du bist auf der Autobahn.
Komm!
Autobahn…
Hier kein Fahrrad, okay?
Fahrrad im Bus, kein Problem.
Kulturell ist es zwar
noch nicht das Asien,
das ich mir vorgestellt habe,
aber geografisch gesehen
bin ich jetzt drüben.
Der erste Platten.
3.400 Kilometer…
Weiß nicht, ob das eine gute
oder schlechte Leistung ist.
Jetzt gucke ich mal,
ob ich das fixen kann.
Mal gucken, wie viele Stunden ich brauche.
Eineinhalb Stunden für einen Reifen.
Ich werde noch ein bisschen üben müssen,
aber zum Glück
habe ich ja genug Zeit dafür.
So langsam gewöhne ich mich
ans Reisen mit dem Rad.
Meistens zelte ich irgendwo,
wo es mir sicher scheint.
100 Prozent entspannt
bin ich dabei zwar noch nicht,
aber es wird von Tag zu Tag besser.
Wenn ich morgens aufwache,
frage ich mich aber immer wieder,
wo ich eigentlich bin.
Vielleicht werde ich vom Rasenmäher
hinter einer Tankstelle geweckt.
Vielleicht wache ich
im Büro vom Bürgermeister auf.
Manchmal wache ich sogar auf
und bin schon wieder
in einem anderen Land.
Die Abfahrten im Kaukasus
sind wahnsinnig schön.
Und dementsprechend anstrengend
sind natürlich auch die Anstiege.
Aber sobald ich
oben die Aussicht genießen kann,
ist der Schmerz schon wieder vergessen.
In abgelegenen Gegenden
finde ich manchmal länger kein Essen.
Aber immer wenn ich denke,
ich verhungere gleich,
findet sich wieder eine Lösung.
Prost.
Anusch!
Anusch!
Dawai!
Dennis, dawai!
Dawai!
Yes!
So schnell die drei Engel
aufgetaucht waren,
sind sie auch wieder weg.
Aber solche Begegnungen
machen das Radreisen so besonders.
Meist sind es nur Augenblicke,
aber manchmal ist es auch etwas mehr.
Nairi sah mich auf dem Fahrrad
und erzählte irgendwas von Kaffee.
Also bin ich ihm gefolgt.
Winterliches Essen.
Er lebt mit Mutter und Tante
in einer winzigen Blechhütte
am Straßenrand.
Kuh.
Kuh.
Drei… Kuh!
Du?
Da kommt eine Kuh.
Die drei wollten mich
zum Übernachten einladen,
aber in der kleinen Hütte
gibt es einfach nicht genug Platz.
Also wird der Garten
zu meinem Schlafzimmer.
Jemand hier?
Wie heißt du?
Dennis.
Dennis?
Ich heiße Melsida.
Marx, Engels, Lenin, Stalin.
Unser “Germany-Boy”.
Vor meiner Reise habe ich mich gefragt,
wie man sich verständigt,
wenn man nicht dieselbe Sprache spricht.
Dennis!
An erster Stelle steht die Zeichensprache.
Wie schmeckt ein Tässchen frische Molke?
-Nein, nein!
-Gut?
Ich versuche immer,
die wichtigsten Wörter zu lernen,
auch wenn es nur zehn Stück sind.
Damit kann ich überleben,
und die Leute sind immer begeistert,
wenn ihre Sprache aus meinem Mund kommt.
“Danke”?
“Danke”…
Shnorhakalut’yun.
” Shnorhakalut’yun”.
-“Hallo”?
-“Hallo”: Barev.
-Wie?
-Barev.
-” Barev”?
-Barev.
Wir sprechen über Städte und Länder,
denn die heißen fast immer gleich.
Genauso wie Promis oder Sportler.
Dennis!
Arthur Abraham. Boxer.
Ja, er ist ein Champion in Deutschland.
Arthur Abraham!
Das Unterhalten
klappt eigentlich ganz gut.
Eigentlich.
Englisch: “Yes.”
Armenisch?
Ja, armenischer Mann:
Arthur Abraham.
Ein Abendessen, Armenisch-Unterricht,
ein Zeltplatz und ein Frühstück,
das ist doch einiges wert.
Aber Geld würden sie niemals annehmen.
Alles, was hier zählt,
ist die Dankbarkeit.
Ich habe drei supernette,
hilfsbereite Menschen kennengelernt.
Und nach nur einem Tag
verlasse ich sie schon wieder.
Aber so ist das bei einer langen Reise.
Was bleibt, ist die Erinnerung.
Vom Süden Armeniens will ich in ein Land,
von dem man selten Gutes hört.
Das Visum dafür hatte ich mir in
einer Botschaft in der Türkei organisiert.
Angeblicher Besitz von Atomwaffen,
die gesetzliche Diskriminierung
von Frauen,
eine der höchsten Hinrichtungsraten
weltweit,
Menschenrechtsverletzungen,
politische Abgrenzung zum Westen.
Das alles sagt nichts
über die Bewohner dieses Landes aus.
Hallo, meine Freunde!
Im Iran kann ich genauso Rad fahren
wie in anderen Ländern
bzw. komme ich kaum dazu,
weil mir immer wieder
Lkw-Fahrer helfen wollen.
Denn ich bin ein Gast
und gelte hier als ein Geschenk Gottes.
Wenn mich
kein iranischer Lkw-Fahrer mitnimmt,
dann sind es
zwei Weltreisende aus Deutschland.
Und das Fahrrad findet immer einen Platz.
Jeden Tag bieten mir Fremde Hilfe an,
und ich werde oft
zum Übernachten eingeladen.
Die Gastfreundschaft ist so wichtig,
dass sich Leute sogar
einen Tag freinehmen,
nur um mir ihre Stadt zu zeigen.
Und man mag es kaum glauben:
Man darf im Iran sogar lachen.
Reza!
Reza, komm her!
Reza hatte ich über
die Community “Couchsurfing” gefunden.
Diese Webseite ist im Iran nicht gesperrt,
im Gegensatz zu anderen Netzwerken
wie Facebook oder YouTube.
Ich bleibe ein paar Tage,
und dann lädt er mich
zu seinem Lieblingsfrühstück ein:
Schafskopf.
Wirklich lecker.
Ziemlich gut.
Wirklich?
Man kann zwar nicht mehr sehen,
dass es ein Schafskopf ist,
aber vielleicht ist es ja deshalb so gut.
Wenn man Schafskopf isst,
muss man viel trinken.
Weil der Schafskopf
danach Wasser haben will.
Und jetzt können wir hier reingehen
und persische Pepsi kaufen.
Komm mit. Komm.
Das ist Persisch.
Das bedeutet: Lebe den Moment.
Und das hier ist Pepsi.
Es ist nicht original,
aber hier steht “Original”.
Was ist an einer Pepsi-Dose so spannend?
Wie die Coca-Cola
trägt sie zwar das richtige Label,
hat aber nichts mit dem Original zu tun.
Denn das kommt aus den USA,
und mit denen will
die Regierung nichts zu tun haben.
Schmeckt eigentlich ganz gut.
Sie zeigt auch, dass sie nichts
mit ihnen zu tun haben will.
Die Botschaft der USA wurde 1979 gestürmt
und seitdem nie wieder geöffnet.
Jetzt sind ihre Mauern
mit Anti-USA-Bildern bemalt.
Trotzdem muss man als Reisender
vorm Iran keine Angst haben.
Aber leider darf man hier
auch nicht völlige Freiheit genießen.
Die religiösen Regeln
gelten im ganzen Land
und bringen
viele Verbote und Einschränkungen.
Zum Beispiel dürfen Iraner keinen Partner
oder eine Beziehung haben,
solange sie nicht verheiratet sind.
Auch ein Flirt im Park
wird von der Sittenpolizei bestraft.
Deshalb hat sich die städtische Jugend
“DorDor” ausgedacht.
Man braucht zwei Wendemöglichkeiten,
um dauerhaft im Kreis fahren zu können.
Es sieht aus wie ein Stau,
aber hier wird
von Fenster zu Fenster geflirtet.
Man tauscht Nummern
und kann sich
zu einem illegalen Date verabreden.
Mit einem dicken BMW
hat man wohl bessere Chancen,
aber als exotischer Ausländer
reicht auch ein Fahrrad.
Die politische Abgrenzung
überschattet leider oft,
was für ein spektakuläres Land
der Iran ist.
Und welch unvorstellbar
großzügige Gastgeber er hat.
Ich wurde oft eingeladen,
zum Tee trinken, Essen
oder sogar zum Übernachten.
Hoffentlich darf man hier
bald mehr Freiheit genießen.
Bis dahin wird weiter im Kreis gefahren.
Mit der Nachtfähre fahre ich
über den Persischen Golf nach Dubai.
Vorbei am höchsten Gebäude der Welt
und einem Hotel,
in dem eine Nacht etwa so viel kostet
wie eine Weltreise mit dem Fahrrad.
Vom Oman will ich weiter Richtung Osten.
Aber da liegt das Arabische Meer.
Deshalb werde ich zum ersten Mal
samt Fahrrad ins Flugzeug steigen.
Und zum Glück
habe ich viele helfende Hände.
Das Fahrrad kommt in eine Pappbox,
und ab zum Flughafen.
Möglichst viele Kilo ins Handgepäck,
und die Box zukleben.
Die fünf Kilo Übergepäck schenkt man mir,
nachdem ich meine Geschichte erzähle.
Zum Flugzeug,
Sicherheitscheck und Take-off.
Ich hatte ja gesagt,
dass der Bosporus die Grenze zu Asien sei.
Aber kulturell war es noch nicht
das Asien, das ich mir vorgestellt hatte.
Jetzt bin ich in Asien.
In Kathmandu habe ich jemanden
über “Warmshowers” gefunden.
Warmshowers ist eine Online-Community
für Radreisende.
Das Gute ist, dass man
einen kostenlosen Schlafplatz hat.
Aber wichtiger ist,
jemanden kennenzulernen,
der sich zudem in der Stadt auskennt.
Namaste.
Wir sind hier in Swayambhunath.
Das da ist der Affen-Tempel.
Ich komme gerne her,
weil ich das Tal sehen kann.
Und jedes Mal frage ich mich,
wo mein Haus ist.
Weil hier so viele Häuser sind.
Und auch heute kann ich es
mal wieder nicht finden.
Das hier ist der Weltfrieden-Teich.
Wenn wir es schaffen,
eine solche Münze
in die Tasche da zu werfen,
dann bringt es uns Glück.
Ich weiß nicht, ob es stimmt,
aber wir glauben daran.
Manchmal treffe ich, und dann denke ich:
Oh ja, heute habe ich Glück!
Mal gucken, ob ich es schaffe.
-Bitte!
-Oh nein.
Komm schon!
Oh nein, es war so knapp!
Wir werden einen guten Tag haben,
weil ich einmal getroffen habe.
Ich hatte mir Kathmandu ausgesucht,
weil sich hier sämtliche Botschaften
und Konsulate befinden.
Solange meine Visaanträge
bearbeitet werden,
lerne ich das Leben hier kennen.
Eine hinduistische Totenzeremonie,
bei der man die Verstorbenen einäschert,
ist der Abschluss meiner Wartezeit.
Denn nach einer Woche
habe ich zwei Aufkleber im Pass.
Myanmar-Visa,
Indien-Visa.
Jetzt kann’s weitergehen.
Nach fünf Tagen
in den Vorbergen des Himalaja
habe ich das Flachland von Nepal erreicht.
Mit dem Visum im Pass
darf ich weiter nach Indien.
Der Verkehr in Indien
ist die Hölle auf Erden.
Außerdem ist Indien dreckig,
völlig überbevölkert,
und die Armut ist groß.
Diese Informationen hatte ich
bei meiner Recherche im Internet gefunden.
Und auf den ersten Blick scheinen sich
die Vorurteile zu bestätigen.
Aber steckt man
ein ganzes Land in eine Schublade,
ist man oft weit
von der Wahrheit entfernt.
Vor allem bei einem so riesigen
und vielfältigen Land.
Indien kann auch ganz anders.
Ein Englischlehrer hat mich angesprochen
und zum Übernachten eingeladen.
Man kann nie wissen,
ob jemand vertrauenswürdig ist,
aber solang man auf sein Bauchgefühl hört,
geht nie was schief.
Das gilt für mich
und natürlich auch für ihn.
Als Lehrer hilft er nach Feierabend
oft den Kindern seines Dorfes.
Er will mir die Teeplantage zeigen,
für die fast das ganze Dorf arbeitet.
Hallo, hier ist Binod Lama.
Binod Lama gibt euch ein paar Infos,
was die Angestellten
hier im Teegarten machen.
Dieser Teegarten heißt “Hope Tea Garden”,
und die Arbeiter
schneiden die Teesträucher.
Und die Angestellten
fangen frühmorgens an.
Sie arbeiten von sechs oder sieben Uhr
bis 13 Uhr, manchmal auch bis 15 Uhr.
Und für diese mühselige und harte Arbeit
bekommen sie von der Firma
gerade einmal 122 Indische Rupien.
122 Rupien sind etwa 1,70 Euro.
1,70 Euro pro Tag.
Jetzt wird mir klar, warum so viele Inder
in Dubai die Stadt in die Höhe bauen.
Der Hungerlohn dort ist ein Vielfaches
vom Lohn in ihrer Heimat.
Im Windschatten von diversen Lkw
fahre ich weiter Richtung Osten,
immer in der Hoffnung,
dass kein Schlagloch kommt.
Für den Grenzübergang
zu Myanmar im Osten Indiens
brauche ich eine Sondergenehmigung.
Nach unzähligen E-Mails
und 100 Dollar für den Antrag
darf ich die Grenze
zum vereinbarten Termin überqueren.
Ich hab’s geschafft:
Ich bin endlich in Myanmar,
ehemals Burma.
Und die Leute grüßen sehr freundlich,
und jetzt geht’s erst mal
mit Schwung Richtung Süden.
Es ist der 16. Dezember,
das heißt, noch acht Tage bis Weihnachten.
Mal gucken, was dann so geht.
In Myanmar können Touristen
keine motorisierten Fahrzeuge mieten.
Und selbst mit dem eigenen Gefährt
muss man einem Reiseführer folgen
und viel Geld dafür bezahlen.
Mit dem Fahrrad
darf ich mich aber frei bewegen,
mal wieder ein Argument fürs Radreisen.
Die meisten hier
arbeiten in der Landwirtschaft,
viele leben von der Hand in den Mund.
Können die Bewohner was beiseitelegen,
wird das oft für die Religion verwendet.
Goldene Pagoden und Buddha-Statuen
sehe ich hier überall.
Manchmal kleinere, manchmal etwas größere.
Im ganzen Land haben Frauen und Kinder
eine helle Creme im Gesicht.
Was es damit auf sich hat,
erklärt mir ein Englischlehrer,
den ich am Vorabend
in der Dorfkneipe getroffen hatte.
Ich weiß nicht, wie man es übersetzt.
-Ich sage einfach “Thanaka”.
-Nenn es einfach “Thanaka”.
Warum macht ihr das?
Einerseits riecht es gut
und dient auch als…
…Sonnenschutzmittel.
Das ist ein Stein,
das hier ist vom Thanaka-Baum,
und dann muss man nur Wasser hinzugeben.
-Nur Wasser.
-Ja, genau.
Dann muss man es zerreiben.
-So?
-Ja, genau.
Ohr!
Und das andere Ohr.
Ohr und Ohr.
Und dann der Hals.
-Riecht gut, nicht wahr?
-Ja.
Wie nennt man das hier?
Augenbraue.
-Das ist ja eine Beauty-Session.
-Aber hallo.
Du musst warten,
weil es noch nicht getrocknet ist.
Wenn ich weiterfahre, wird es trocknen,
und dann sage ich Mingalaba,
und dann denken die Leute:
“Er spricht unsere Sprache.
Er hat Thanaka, er ist einer von uns.”
Ja, klar.
Am örtlichen Markt testen wir,
ob die Tarnung auffliegt.
Und tatsächlich:
Es scheint niemandem aufzufallen,
dass ich viel größer bin
und europäisch aussehe.
Auch dass Männer
diese Creme eigentlich nicht tragen,
stört hier keinen.
Ich bin jetzt einer von ihnen.
Wie viel kostet das?
100 Kyat.
-Wirklich?
-Ja.
Sind es wirklich nur 100?
Ja, 100 Kyat.
100 Kyat sind umgerechnet 0,07 Euro.
Also sieben Cent für eine Schüssel Nudeln.
Hab einen schönen Tag. Alles Gute.
-Tschüss.
-Ja, okay, tschüss.
Bagan hätte ich perfekt
mit dem Fahrrad erkunden können.
Aber mir geht es schlecht.
Ich kann nur ahnen,
was mir die Kraft entzieht.
Wie viel kostet das?
100 Kyat.
Wirklich? Sind es wirklich nur 100?
Ja, 100 Kyat.
Kann ein Essen
jemanden so krass aus der Bahn werfen?
Oder ist es doch eine Tropenkrankheit?
Ich kann mich kaum auf den Beinen halten,
aber statt mich auszuruhen,
versuche ich, weiterzufahren.
Im Krankenhaus besorge ich mir Tabletten,
die meine Schmerzen betäuben.
Sechs Tage lang
kann ich nicht richtig essen,
und ohne jegliche Kraft fahre ich
trotzdem jeden Tag fast 100 Kilometer.
Nach einer Woche
glaube ich zu halluzinieren:
Der Feldweg wird plötzlich
zu einer dreispurigen Autobahn.
Und auch ich
scheine nicht mehr derselbe zu sein.
Das ist eine gute Frage,
was die sich dabei gedacht haben.
Also, das verstehe ich nicht.
Ich meine, hier ist doch kein Mensch.
Und trotzdem
reiht sich ein Hotel ans nächste.
Die dreispurige Autobahn
wird zu einer siebenspurigen,
aber ich bin alleine.
Die Regierung behauptet,
dass hier
über eine Millionen Menschen leben.
Davon sehe ich nichts,
und als ich die Geisterstadt verlasse,
bin ich wieder auf dem Feldweg.
Nach einer Woche
bin ich wieder halbwegs fit,
und es ist Weihnachten.
Das würde ich gerne
mit der Familie feiern,
aber die ist 8.000 Kilometer entfernt.
Und hier im buddhistischen Myanmar
feiert man ja nicht mal Weihnachten.
Dachte ich zumindest.
Etwa sechs Prozent der Bevölkerung
sind Christen.
So finde ich in der Heiligen Nacht
doch ein bisschen Heimat.
Etwas bunter, etwas kitschiger,
aber nicht weniger schön.
Sechs Monate bin ich unterwegs,
und zum neuen Jahr erreiche ich Thailand.
Nach 10.000 Kilometern habe ich
mein Fahrrad ganz gut im Griff.
Und wenn ich mir Bangkok so anschaue,
will ich mein Fahrzeug
nicht mehr tauschen.
Das Paradies
befindet sich hier sicherlich nicht.
Das finde ich erst im Süden des Landes.
Dank des Fahrrads konnte ich die Länder
fernab vom Touristenpfad kennenlernen.
Aber nach einem halben Jahr tut es gut,
Reisende aus der Heimat zu treffen.
Viele Pausen
habe ich bisher nicht gemacht,
aber in Thailand lasse ich
das Fahrrad für zwei Wochen stehen.
Als mich das Visum aus dem Land drängt,
fahre ich weiter nach Malaysia
und nehme eine Fähre.
Die bringt mich rüber nach Indonesien.
Sumatras Dschungel ist
einer der artenreichsten der Welt.
Aber die Frage ist,
wie lange das noch so bleibt.
Große Konzerne roden den Regenwald,
um Öl-Palmen anzubauen.
Schon in Malaysia
war meine Fahrt oft langweilig,
und auch im Osten von Sumatra
gab es deshalb nichts zu sehen.
In der Hoffnung,
dass die Westküste mehr bietet,
mache ich mich auf den Weg,
einmal quer über die Insel.
In Indonesien geht der Großteil
der internationalen Touristen nach Bali.
Dabei ist Bali nur eine
von über 17.000 indonesischen Inseln.
Das heißt, auf den anderen
ist touristisch kaum was los.
Und wenn
ein großer weißer Mensch auftaucht,
muss es dokumentiert werden.
Danke.
Nach ein paar Tagen habe ich Sumatra
von Ost nach West überquert.
Und das hat sich gelohnt.
Ich bin Cyril aus Frankreich,
und ich bin von Peking
bis hierher geradelt.
Cyril hatte ich auf der Straße getroffen,
und zusammen fahren wir
die Westküste entlang.
Es ist Monsunsaison.
Tagsüber haben wir perfektes Wetter,
und pünktlich um 17:30 Uhr…
Am nächsten Tag
haben wir wieder perfektes Wetter,
unterhalten uns
mit den Kids am Straßenrand,
gucken den Fischern am Indischen Ozean zu,
versuchen zu schwimmen,
und pünktlich um 17:30 Uhr…
Eins.
Zwei.
Drei!
Am nächsten Tag
haben wir wieder perfektes Wetter,
genießen die unglaubliche Landschaft,
springen mit den Kids in den Fluss,
und pünktlich um 17:30 Uhr…
Was wird da wohl passieren?
-Check!
-Check.
Check!
Aus Deutschland kenne ich Regen
als ziemlich unangenehm.
Aber hier auf Sumatra bei täglich 35 Grad
wird mir gezeigt,
wie viel Spaß Regen macht.
Es ist nicht wichtig,
dass die Jungs, Cyril und ich
unterschiedliche Sprachen sprechen.
Die internationale Sprache des Lächelns
versteht jeder.
Heute ist Cyrils 31. Geburtstag.
Eine bessere Geburtstagsparty
kann man sich kaum wünschen.
Zur Feier des Tages
lassen die Kids ihn sogar gewinnen.
Nach einer Woche
bin ich wieder alleine unterwegs.
Cyril musste schnell weiter,
weil er mit seinem Bruder verabredet war.
Aber Indonesien
macht auch alleine großen Spaß.
Die Menschen sind aufgeschlossen,
und jeder Tag ist besonders.
-Tschüss!
-Tschüss!
Außerdem ist Indonesien perfekt
für Fahrrad-Insel-Hopping.
Per Fähre komme ich von Insel zu Insel,
und meistens kostet das
nicht mehr als ein bis zwei Euro.
Und dann bin ich sogar in Bali angekommen.
Hier will natürlich jeder
sein ganz besonderes Bali-Erlebnis haben.
Und das habe ich auch.
Meine Hand schwillt gerade an,
und auch mein Ellbogen
durfte eine Probe vom Asphalt nehmen.
Das Gepäck ist auch abgefallen,
aber ich glaube: Glück im Unglück.
Ein Rollerfahrer war in mich reingerast,
aber bis auf ein paar Prellungen
bleibe ich erstaunlicherweise unverletzt.
Das Fahrrad hatte es auch erwischt,
aber mit Kabelbindern und Gummiband
fährt es wieder.
Hey, Mister!
Wie geht’s?
-Gut!
-Gut!
Wohin fährst du?
Äh, Deutschland.
Und jetzt nach Flores.
-Pass auf dich auf!
-Ja!
Von Flores nach Timor
habe ich die Nachtfähre genommen.
Die oberen Etagen
sind gnadenlos überfüllt,
also bleibe ich unten bei meinem Fahrrad.
Ich erinnere mich noch
an die allererste Nacht,
in der ich vor Angst kaum schlafen konnte
und mein Fahrrad mit ins Zelt nahm.
12.000 Kilometer von daheim kann ich
mittlerweile aber fast überall schlafen.
Auch auf einer schwankenden Fähre
zwischen ein paar dreckigen Trucks.
Eine Kuh.
Oh ja, eine Kuh.
Als ich zum ersten Mal über diese Tour
nachgedacht habe, vor über einem Jahr,
habe ich dieses kleine Land entdeckt.
-Hallo!
-Hallo!
Und ja…
Jetzt bin ich einfach hier, oh mein Gott!
Keine Ahnung…
Erst seit 2002 ist Timor-Leste unabhängig
und gehört damit
zu den jüngsten Ländern der Erde.
Der Tourismus hat noch kaum Fuß gefasst,
was auch
an mangelnder Infrastruktur liegt.
Aber beim Anblick dieses Paradieses
hoffe ich, dass es auch so bleibt.
Hotels und Touristenbusse
an diesen Traumstränden
dürfen gerne
so lange wie möglich fernbleiben.
Daniel?
Daniel? Dannis?
Dennis! Dennis!
Dennis, ja!
Ich muss zugeben,
die Straßen im Süden der Insel
sind nicht die besten.
Besser gesagt
ist der Zustand katastrophal.
Aber genau das
macht die Sache abenteuerlich.
Sollte man hier eine nagelneue,
qualitativ hochwertige Brücke finden,
geht irgendwas
nicht mit rechten Dingen zu.
Flüsse sind oft die einzige Wasserquelle,
deshalb kommt es jedes Jahr
zu tragischen Unfällen mit Krokodilen.
Die drei hier sollen vor Kurzem
zwei Menschen vernascht haben.
Und wie es scheint,
soll ich der Nächste sein.
Ach du Scheiße!
Alles kein Problem.
Bei den Krokodilen
darf ich mein Leben behalten,
aber es geht direkt interessant weiter.
Meine Navi-App hat mir hier
eine dicke Hauptstraße angezeigt.
Aber mir sieht das nicht
nach Hauptstraße aus.
Schlange, ja?
Geil, richtig geil!
Geil!
-Gut!
-Gut.
Ja, also schmeckt wie…
…geräucherte…
…geräucherte Forelle,
nur ein bisschen härter.
Sehr gut.
Der Älteste hat eine Python erlegt,
und die kleineren Jungs
haben mit Steinschleudern
Beuteltiere vom Baum geschossen,
sogenannte Woll-Kuskuse.
Das Lieblingsgericht
meiner Reise ist es nicht,
aber nach einem langen Tag
schmeckt auch Wollkuskus-Eintopf
mit Reis nicht verkehrt.
Zum Abschluss meiner Reise durch Asien
will ich noch einmal nach oben,
so weit wie nur möglich.
Aber auf einem Fahrrad
muss man sich das immer erst erarbeiten.
Ich wusste nicht,
wie nah beieinander die Kontinente liegen.
Aber von Timor sind es gerade mal noch
600 Kilometer Luftlinie bis Australien.
Zehn Monate bin ich unterwegs,
und bis auf kleinere Sprünge
habe ich es
mit dem Fahrrad hierhergeschafft.
Es geht nicht darum,
viele Kilometer zu machen,
der Schnellste zu sein
oder einen finalen Punkt zu erreichen.
Aber zu wissen,
dass ich so weit gekommen bin,
ist irgendwie schon was Besonderes.
Kann ich die Sache jetzt noch toppen?
So spektakulär Australien
auf den ersten Blick aussieht,
so langweilig ist es,
wenn sich tagelang nichts,
aber auch gar nichts verändert.
Manchmal kommt 200 Kilometer kein Dorf.
Manchmal sind es sogar 400 Kilometer.
Jetzt gibt es keine Kinder mehr,
die mir lachend hinterherrennen.
Hier gibt es niemanden mehr.
Auf dem Berg in Timor dachte ich,
ich sei der König der Welt,
aber hier im Outback hat mich
die harte Realität wieder eingeholt.
Bohnen
und Toastbrot.
Es ist jeden Tag dasselbe: Aufstehen,
nach Motivation suchen,
keine finden, trotzdem losfahren,
so lange fahren, bis die Sonne untergeht,
schlafen,
und am nächsten Morgen
wieder dasselbe Spiel.
Jetzt seit einer Woche,
und die nächsten zwei Wochen…
…wahrscheinlich dasselbe.
Geil.
Ich dachte, Australien ist diese kleine
Insel unten rechts auf der Weltkarte,
und nach all den Kilometern
ist die Strecke von Darwin nach Cairns
mal schnell gemacht.
Aber jetzt fällt mir gerade auf,
dass 2.600 Kilometer
immer noch 2.600 Kilometer sind.
Und das auf einem verdammten Fahrrad.
Und als wäre die Einsamkeit nicht genug,
stirbt auch noch mein Dynamo-Ladegerät.
Das heißt,
ich kann nicht mal mehr Musik hören.
Handy-Empfang
hätte ich hier sowieso keinen.
Jetzt gibt es
nur noch das Outback und mich.
Das Fliegen-Problem hat überhandgenommen.
Die Highlights in 2.000 Kilometer
Radfahren sind schnell erzählt:
An einem Tag muss ich
durchs Wohnzimmer von Krokodilen.
Also eigentlich nichts Neues.
An einem anderen Tag fahre ich
über die Grenze von zwei Bundesstaaten.
Dadurch ändert sich nichts,
außer, dass ich meinen Helm anziehen muss.
250 Australische Dollar,
wenn ich ohne erwischt werde.
Duschen kann ich tagelang nicht.
Wenn der Kopf juckt, dann juckt er halt.
Und in den paar Dörfern
ist echt der Hund begraben.
Aber immerhin, ich kann auffüllen.
Mehr Bohnen und mehr Toastbrot.
Alles andere
ist hier draußen viel zu teuer.
Mit Spaß hat es nichts mehr zu tun,
aber wenn ich stehen bleibe,
komme ich nie an die Ostküste.
Also fahre ich halt einfach immer weiter.
Als auch noch die Sonne verschwindet
und gar nichts mehr geht,
habe ich plötzlich eine Erscheinung.
Stopp! Stopp! Stopp, Ferris!
Ferris MC? Nein, es ist Ferris Gump!
-Wie geht’s?
-Wie geht’s dir?
-Wie heißt du?
-Dennis.
-Dennis. Freut mich.
-Aus Deutschland. Und du bist Ferris?
-Ja, genau, Ferris aus Australien.
-Oh ja.
Ein Verrückter,
der durch Australien läuft.
Ich bin der erste Aussie,
der durch Australien läuft,
eigenständig, ohne Unterstützung.
Es ist verdammt hart.
Ich schaffe
so 50 bis 75 Kilometer pro Tag.
Okay…
Was, wie viele?
75 Kilometer.
-Und wie viel Kilo wiegt das?
-Etwa 50 Kilo.
Sobald man die Balance gefunden hat,
so wie hier…
…kann man loslaufen.
-Du läufst nach Darwin?
-Ja.
Viel Spaß!
-Hab einen schönen Lauf.
-Genieß die Ostküste.
Danke, das werde ich.
Lauf, Ferris!
Ferris rennt für wohltätige Zwecke
weiter nach Darwin,
und ich habe nach drei langen Wochen
das Outback durchquert.
Endlich!
Ja!
Das ist das Australien,
von dem alle so geschwärmt haben.
Ich kann mir wieder anderes
als Toastbrot oder Bohnen leisten.
Und ich finde wieder Leute,
bei denen ich etwas bleiben kann.
Klamotten waschen, Körperpflege,
Fahrrad reinigen…
…lassen.
Prost!
Was in der Party-Hauptstadt Cairns
passiert…
…daran kann ich mich
nicht mehr genau erinnern.
Aber an was ich mich erinnere,
ist der Typ am Strand von Thailand.
Das war Willi, und der kann sogar
auf dem Skateboard Gitarre spielen.
Er ist nach Australien ausgewandert,
aber wir sind in Kontakt geblieben
und sehen uns nach Monaten wieder.
So langsam
macht mir Australien richtig Spaß.
Zumindest dachte ich das für einen Moment.
Jetzt bin ich
seit genau einem Jahr unterwegs,
aber eine Feier gibt es nicht.
Stattdessen erwartet mich
der australische Winter.
Kaltnasses Wetter ist unfassbar ätzend,
aber 1.000-mal schlimmer ist Gegenwind.
Jeden Tag muss ich
gegen den unsichtbaren Feind ankämpfen.
Böen bis zu 60 Stundenkilometer.
Es ist doppelt so anstrengend,
und ich fahre halb so schnell.
Ich könnte schon viel weiter sein,
aber bin es nicht.
Die Situation macht mich wahnsinnig.
Das hat eigentlich immer geklappt,
einfach nachts zu fahren, oder abends,
weil dann der Wind weg war.
Aber selbst jetzt nachts
kommt er von da und geht nach da,
ich komme von da und muss nach da.
Sehr schlecht. Sehr, sehr schlecht.
Körperlich und vor allem mental
entzieht mir der Wind jegliche Kraft.
Aber als Aufmunterung
wurde mir Radfahrer-Poesie
an den Straßenrand gestellt.
BITTE VORSICHTIG FAHREN
ÜBERLEBE DIESE FAHRT
“Überlebe diese Fahrt.
Mach eine Pause, bleib am Leben.”
Das Wetter ist auch ganz gut, ja, doch.
AUSRUHEN ODER STERBEN
Schön.
Schön ist es hier, einfach nur schön.
Und da ist es geschehen.
20.000! Hey, 20.000!
Ja, davon kann man sich…
…nichts kaufen.
Am Ende treibt mich nur noch
die unterste Zeile der Schilder voran.
Ob ich an meiner Tour
bisher irgendwas bereut habe?
Allerdings.
Aber nach 5.300 Kilometern Australien…
…bin ich doch dort angekommen,
wo ich hinwollte.
In den ersten Wochen meiner Reise
hatte ich einen Australier kennengelernt.
Er behauptete damals,
dass er mich in Sydney empfängt,
falls ich es bis dahin schaffe.
Er hat sein Wort gehalten.
Wie geht’s?
Gelnhausen bis Sydney
in 12,5 Monaten.
In Australien ist Alkohol
in der Öffentlichkeit verboten.
Also haben wir
alkoholfreien für 3,99 Dollar,
den prickelnden Lambrusco.
“Nanny State”!
Von Australien
will ich in die USA fliegen,
aber wie vor Kurzem gelernt
mögen sich die Regierungen
von USA und Iran nicht.
Und nur weil ich im Iran war,
bekomme ich für die USA
kein ESTA-Visum mehr.
Also muss ich ein Visum beantragen,
was allerhand Zeit,
Nerven und 160 Dollar kostet.
Und zur Sicherheit der Nation
muss ich zum Interview in die Botschaft.
Da vorne ist der Tower,
mal gucken, was sie von mir hören wollen.
Hallo, Herr Kailing.
Sie möchten ein Visum beantragen,
und Sie waren vor Kurzem im Iran, korrekt?
-Ja.
-Okay.
Ich bin mal ganz direkt:
Sind Sie ein Terrorist?
Nein.
Planen Sie, ein Terrorist zu werden?
Nein.
Okay, das klingt gut.
Wir werden das Visum ausstellen,
und Sie erhalten das Visum
in fünf Tagen per Post.
Einen schönen Tag noch.
Mit dem Visum
darf ich in die USA einreisen.
Und dort hat sich
Besuch aus Deutschland angekündigt.
Ich bin in Seattle angekommen,
und ich bin nicht mehr alleine, endlich!
Denn der Robert ist dabei.
Robert, bitte sag Hallo.
Hallo.
Wir machen die Dose leer,
checken Seattle aus, und dann…
Wo geht’s dann hin?
Richtung Süden.
Okay.
Es ist ja ganz logisch:
Wenn man runterfährt,
dann ist es einfacher.
Robert ist
mein alter Mitbewohner aus Berlin.
Er wollte mit die Westküste runterfahren
und Bier trinken.
Auf dich, Robert!
Und das machen,
was man in den USA eben so macht.
Ich sagte: Okay!
Wir haben gerade einen “Growler” gekauft.
Guck mal, da kommt Bier raus.
Zu zweit zu reisen,
hat eine ganz andere Dynamik:
Man macht mehr Unsinn,
trinkt deutlich mehr Bier
und hat immer jemanden zum Reden.
Vor allem mit Robert
habe ich jemanden gefunden,
mit dem ich wirklich
tiefgängige Gespräche führen kann.
Ist schön hier.
Ja, ist schön hier.
Okay.
Ich kann nicht schon wieder Bier trinken.
-Danke.
-Vielen Dank.
Kostenlose Aufkleber.
Immer das Gleiche:
Ich muss bezahlen,
und Robert trinkt das Bier.
Ja, so muss das sein.
Scheiße.
Probier du mal, Robert.
Hast du noch Kohle?
Ich denke schon.
“Ihre Karte ist abgelaufen.”
Was machen wir jetzt?
Ich glaube,
einfach Drogengeschäfte oder so was.
Da würde ich gern mal durchstarten,
im Drogengeschäft…
-Sollten wir das als Drogen deklarieren?
-Nein.
Ja, und jetzt?
Es geht hier um Medizin für Leute,
die Kopfschmerzen haben,
oder auch für welche, die sich
nach Feierabend entspannen wollen.
Ja, und da haben wir uns einfach gesagt,
warum nicht was Gutes tun
und ein bisschen “schnipp, schnapp”.
In Deutschland ist es gar nicht legal.
Ich weiß auch gar nicht,
was es damit auf sich hat…
Es ist halt eine Pflanze.
Zack! Und rein damit.
So, damit man es aufhängen kann.
Eine Woche lang helfen wir
im Emerald Triangle bei der Ernte.
Hier im Norden Kaliforniens
wird seit den 60ern
im großen Stil Cannabis angebaut.
Die Diskussionen
über die Legalisierung dieser Pflanze
werden weltweit wohl noch lange anhalten.
Aber solange die Besitzer
am Fiskus vorbeiarbeiten müssen,
sind die Gewinnspannen deutlich höher.
Da bleibt genug
für Rad fahrende Erntehelfer.
“It’s all about the Benjamins, baby!”
Irgendwie muss sich
so eine Radtour finanzieren.
Jetzt wisst ihr, wie.
Bei unserem Besuch
ist die Pflanze noch illegal.
Aber wenige Wochen später
zeigt uns die Bevölkerung,
dass wir hier Sinnvolles getan haben:
Per Volksentscheid wird Cannabis
im Staat Kalifornien legalisiert.
Wie schön das hier ist.
Wir sind in ein Radrennen gekommen,
und hier ist
eine geile Verpflegungsstation.
Wir räumen das Ding leer.
Macht euch ab!
Raus! Wo ist eure verdammte Nummer?
Da entlang!
Oh, sorry.
Bei der “Best Buddies Challenge”
wurden wir rausgeschmissen,
aber unsere persönliche
“Best Buddies Challenge” geht weiter.
Guck mal hier,
da kommt ein Baum aus dem Baum!
Natürlich ist es zu zweit meist lustig,
aber jetzt sind wir seit einigen Wochen
zusammen unterwegs.
Und zwar 24 Stunden am Tag.
Da funktioniert nicht jeder Joke.
-Er ist ein Schwächling und muss schieben.
-Halt die Klappe.
Dennis, schon wieder Abwasch?
Jedes Mal dasselbe,
der Robert macht nichts…
Du machst dich schon richtig gut als…
…Abwasch-Spezialist.
Es ist wichtig,
wenn man einen Platten hat,
keinen scheiß Dennis Kailing dabeizuhaben.
Denn er weiß, wie er motivieren kann.
Motiviert? Wie er jeden nervt
mit seinem dummen Gelaber.
Jetzt mach die scheiß Kamera aus.
Miteinander klarzukommen,
funktioniert mal besser, mal schlechter.
Genauso wie die Routenplanung.
Auch alleine konnte ich mich
manchmal tagelang nicht entscheiden,
wo es als Nächstes hingeht.
Jetzt sind es zwei Meinungen,
und im Süd-Westen der USA
gibt es echt viele Möglichkeiten.
Wie soll man da auf einen Nenner kommen?
San Fran,
Los Angeles…
Oder San Fran, Yosemite…
-Las Vegas…
-Grand Canyon…
-New York.
-Monument Valley…
Na ja.
Scheiß Los Angeles…
-Ja, hättest du deinen Flug…
-Hätte ich mal 200 Euro mehr…
Hättest du einfach deinen Flug
gar nicht gebucht.
-Hätte, hätte, Fahrradkette.
-Genau.
Ja, also…
-Jetzt fällt mir nur noch eins ein.
-Was meinst du?
-Cheers, Robert.
-Cheers.
Ja, los, hilft ja nichts.
Ich sage mal so:
Wenn man runterfährt, ist es einfacher.
Ja.
Herzlichen Glückwunsch an uns,
wir haben’s geschafft,
wir sind am Ziel
unserer Träume angekommen:
In Hollywood.
Wir gehen heute auf eine Party,
auf eine Fahrradfahr-Party,
und das Thema ist…
Logan…
Was ist das Motto der Party?
-“Grandma-Raver”.
-Grandma-Raver.
Grandma-Raver. Raver-Grandma.
Gut so?
Ich bin bereit für den Rave!
Wenn wir hier wären und die Polizei käme,
nur ich und du, dann wären wir geliefert.
Aber wir sind gerade mit 400 Leuten
auf einem Fahrrad-Rave
und trinken in der Öffentlichkeit.
Und die können nichts tun!
Natürlich ist es eine Party,
aber auch ein Aufruf.
Man stelle sich eine Stadt vor,
in der alle nur Fahrräder benutzen.
Saubere Luft, kein Stau,
ein gesundes Leben,
Schweißperlen auf der Stirn
und viele lächelnde Gesichter.
Jeder kann sich und seiner Stadt
was Gutes tun,
aber man nimmt lieber den SUV,
um zum McDonald’s zu fahren.
Sobald die eigene Bequemlichkeit
unwichtiger wird als das Wohl aller,
haben wir Städte,
die nicht den Autos gehören,
sondern uns Menschen.
Hast du ein Foto gemacht?
Epic, Alter, epic!
Komm, mach noch eins, komm!
Hast du es gemacht? Geil, hä?
Doppelt so viele Fotos
sind doppelt so viele Likes.
Und dann kann ich…
…influencen.
Hm, krass.
Hier sind überall
kleine Bierabstellflächen.
Man kann kaum sagen,
ob es besser ist,
alleine oder zu zweit zu reisen.
Es hängt immer davon ab,
wo und mit wem man unterwegs ist.
Aber ob es in den USA
alleine noch cooler gewesen wäre?
Niemals.
Nach fast drei Monaten zu zweit
tritt Robert seinen Rückweg
nach Deutschland an.
Ich fahre weiter Richtung Süden,
aber ab jetzt wieder alleine.
Kein Windschatten,
kein gemeinsames Quatschmachen,
keinen mehr zum Reden.
Aber auch keine Kompromisse.
Jetzt kann ich wieder zu 100 Prozent
meinem Rhythmus folgen.
Und der Rhythmus,
er ist gut.
Alles, was man braucht, sind Heuschrecken.
Damit kann man richtig schnell fahren.
Vorausgesetzt man kann fahren.
In Mexiko bin ich dauernd am Reparieren.
Nummer 15.
Ein platter Reifen folgt dem nächsten,
und auch die Verschleißteile
müssen erneuert werden.
Also gibt es nach über 28.000 Kilometern
neue Kettenblätter und eine neue Kassette.
Und ohne Bremsen
funktioniert es auch nicht.
Drecksdinger!
Aber an einem Fahrrad lässt sich
alles mit wenig Aufwand reparieren.
Und ist das eine Problem behoben,
habe ich wieder das nächste.
Aber in Mexiko findet man alles,
und mit jeder Reparatur werde ich besser.
Und nicht nur das.
Auch mit der Sprache klappt es
nach ein paar Wochen schon ganz gut.
Ich habe jetzt auch
ein bisschen Spanisch gelernt.
Zwei Bier, bitte.
Eineinhalb Jahre bin ich nun unterwegs,
und zu Sylvester hat mich
eine mexikanische Familie eingeladen.
Sie wollen mir zeigen, wie sie hier
in Tabasco ins neue Jahr kommen.
Damit wurden die Sünden
des letzten Jahres vernichtet.
Zur Sicherheit
verprügeln wir noch eine Piñata.
Das macht man in Mexiko so.
Was ist das denn?
Und damit das neue Jahr
ein richtig gutes wird,
schicken wir unsere Wünsche
nach ganz oben.
Ihr müsst loslassen.
Aber noch nicht, sonst fällt es auf mich!
Lasst los!
Durch Maya-Territorium fahre ich
von Mexiko über Guatemala nach Belize.
Ein junger Maya erklärt mir,
wie der Obstanbau hier funktioniert.
Komm mit.
Die Banane ist schön.
Und der Baum macht die Banane.
Er ist wie ein Baby, nicht wahr?
Das immer und immer größer wird.
Der Baum ist wie ein Baby.
Denn das Baby ist wirklich schön.
Okay?
Mit neuen Kenntnissen über Bananen
fahre ich im Süden von Belize
zurück nach Guatemala.
Einen offiziellen Grenzübergang
gibt es nicht,
aber ich hatte eine kleine Straße
in Google Earth gefunden.
Die Soldaten lassen mich durch,
aber einen Einreisestempel
haben sie nicht.
Ich laufe durch Hintergärten,
bezahle einen Quetzal Wegzoll,
und plötzlich bin ich wieder in Guatemala.
Drei Tage lang bin ich illegal unterwegs,
bis ich mir den Einreisestempel
besorgen kann.
-Guten Tag.
-Guten Tag.
Der Grenzbeamte erklärt mir,
wofür mein Weg eigentlich gedacht ist.
Da gehen nur Schmuggler rüber.
Nur Drogenschmuggler.
Narcotráfico.
So bin ich also über die Drogenroute
zurück nach Guatemala,
und Zeit zum Durchatmen bleibt kaum.
Vor mir liegt El Salvador,
eines der gefährlichsten Länder der Welt.
Kurz vor der Grenze treffe ich Jhony.
Der war mal illegaler Einwanderer wie ich.
Allerdings nicht drei Tage Guatemala,
sondern acht Jahre USA.
Er hat noch Tipps, bevor ich rüberfahre.
Jetzt will ich nach El Salvador.
-Nach El Salvador?
-Ja.
-Sei vorsichtig.
-Warum?
Ich war noch nie da, aber man sagt,
die töten Menschen wie Hühner.
Wenn du 20 Dollar hast
und die wirklich Geld brauchen,
töten die dich für 20 Dollar.
20 Dollar?
-Wenn du…
-Ich glaube, ich bin mehr wert.
Ich habe also keine Chance, durchzukommen?
Vielleicht.
-El Salvador ist gefährlich.
-Ja?
Ich werde einfach losfahren und…
…beten.
El Salvador weist weltweit
eine der höchsten Kriminalitätsraten auf.
Die Zahl der Todesopfer
hat sich mehr als verdoppelt.
Gewaltverbrechen
mit Schuss- oder Stichwaffen,
bewaffnete Raubüberfälle,
Morde und Vergewaltigungen,
Entführung und Erpressungsdelikte
gegenüber Privatpersonen,
Anschläge mit Autobomben.
Einzelreisende sollten
besonders vorsichtig sein.
Diese Sicherheitshinweise
vom Auswärtigen Amt sagen also,
dass ich nicht lebend rauskomme.
Schon gar nicht
auf einem ungeschützten Fahrrad.
Am Strand sieht alles normal aus,
Leute entspannen, der Pazifik ist ruhig.
Aber dann wird mir relativ schnell klar,
was Jhony gemeint hatte.
Waffen sehe ich hier überall.
Supermärkte, Tankstellen
und Getränkelaster werden mit Pumpguns
oder Maschinengewehren beschützt.
Jeder kleine Laden
ist mit Stahlgittern gesichert.
Zu groß ist die Gefahr von Raubüberfällen
durch die skrupellosen Banden
hier in El Salvador.
Subway ist für die meisten hier zu teuer.
Eigentlich auch für mein Reisebudget.
Aber heute will ich mal
zur High Society gehören.
Beschützt werde ich durch eine Pumpgun.
Gleichzeitig versuchen Kinder draußen,
Süßigkeiten zu verkaufen,
damit sie ein paar Dollar
für was zu essen haben.
In den Städten
will ich nicht groß anhalten,
und schlafen tue ich in schäbigen Motels.
Dann könnte ich
in eine der gefährlichsten Städte,
aber fahre lieber
in eines der gefährlichsten Länder.
“Gringo”-Rufe und bettelnde Kinder
im Süden von Honduras,
und auch im Norden von Nicaragua
sieht es für mich nicht besser aus.
Einer fuchtelt mit der Machete rum,
ein anderer droht mir Schläge an.
Irgendwie wollen mich viele
nicht hier haben.
Sicher gibt es hier auch schöne Regionen,
aber auf meiner Route
mache ich wenig gute Erfahrungen.
Und leider bin ich damit nicht allein.
-Hi!
-Hi!
-Wie geht’s?
-Gut, gut.
-Wer bist du?
-Ich heiße Jarkko und komme aus Finnland.
Aber ich lebe seit 21 Jahren
in Österreich, Salzburg.
Du sprichst also Deutsch…
Ja, österreichisches Deutsch kann ich.
Magst du Wiener Schnitzel?
Es ist sogar mein Job, die zu machen.
-Du bist Koch?
-Ja, genau.
Jarkko ist seit einigen Tagen in Nicaragua
und kann mir Tipps geben,
was ich tun
und vor allem was ich nicht tun sollte.
Auf kleineren Straßen kann es passieren,
dass Kinder mit Steinen werfen
oder andere Sachen werfen
und “Gringo” rufen.
-Ist dir das passiert?
-Ja, genau.
Aber Kinder sind Kinder.
Aber als ich zum Vulkan Apoyo
gefahren bin,
habe ich einen kleinen Pfad genommen,
und plötzlich war da einer
mit einer Machete.
-Er hat versucht, auf mich einzustechen.
-Wirklich?
Ja, aber ich hab’s geschafft,
etwas Geld aus meiner Tasche zu holen,
und er war mehr am Geld interessiert
als daran, mich abzustechen.
also ist er dann abgehauen.
Es waren etwa zwei Euro,
ein günstiger Preis für ein Leben.
Ich habe jetzt
eine neue Sicherheitsvorkehrung.
Foul! Und ich habe auch mein Messer.
Also wenn du jemanden
mit einer Machete triffst,
die etwa so viel länger ist,
dann lass es lieber in der Tasche.
-Vielen Dank für die Infos.
-Keine Ursache.
-Mach’s gut.
-Du auch.
-Adiós!
-Adiós!
Weiter südlich
entspannt sich die Lage deutlich.
Ich gucke mir Vulkane an
und fahre durch Bananenplantagen
von Costa Rica und Panama.
Noch einmal über den Gebirgskamm
und bis zum Panamakanal.
Durch den Dschungel ist die Panamericana
im Süden Panamas unterbrochen,
also heißt es Abflug nach…
…Kolumbien.
Die Leute, die beim Hören
dieses Landes besorgt waren,
kann ich beruhigen.
Die Zeiten Pablo Escobars sind vorbei.
Ich fühle mich hier richtig wohl,
und die großartige Stimmung der Menschen
überträgt sich auf mich.
Bis es im Süden zum ersten Mal
die Anden hochgeht.
Ich bin zwar gut eingepackt,
aber es regnet
seit einer Woche ununterbrochen.
Aber da hinten steht’s: Ecuador.
Deswegen hoffe ich mal
auf etwas gute Laune,
ein neues Land.
Meine Hoffnung
hat sich leider nicht verwirklicht.
Wochenlang will es
nicht aufhören zu regnen.
Auf Sumatra war der Regen ja ganz lustig,
aber hier in den Anden
bei einstelligen Temperaturen
hat es nichts mehr mit Spaß zu tun.
Ich habe zwar regendichte Kleidung,
aber die erfüllt nicht ihren Zweck.
Es kommt zwar kein Wasser rein,
aber es geht auch nicht raus.
Das heißt,
ich bin komplett nass geschwitzt.
Meine Sachen kann ich nirgends trocknen,
und ich muss jeden Tag
weit über 1.000 Meter bergauf strampeln.
Was mache ich hier eigentlich?
Warum bin ich damals
überhaupt losgefahren?
Ich glaube, ich weiß es nicht mehr.
Ich bin jetzt auf 3.900 Metern,
und es regnet.
Und es sind vier Grad.
Und da ist noch eine andere Sache.
Ich hatte meinem Vater gesagt,
dass ich zweieinhalb Jahre brauche.
Wir sehen uns dann
in zweieinhalb Jahren oder so.
Aber mir ist aufgefallen,
dass das im deutschen Winter wäre.
Und das ist nicht das Radfahrwetter,
das ich mir wünsche.
Entweder muss ich demnächst den Weg
Richtung Heimat einschlagen
oder noch ein ganzes Jahr drauflegen.
Aber jetzt noch ein Jahr so weiter?
Ich werde die Entscheidung vertagen.
Vielleicht gibt es ja
noch einen Wendepunkt.
Wie war das denn damals?
Wo kam eigentlich meine gute Laune her?
Ich glaube,
es hatte was mit Ländern zu tun,
auf die ich mich schon lang gefreut hatte.
Und bestimmt auch mit Sonnenschein.
Auf geht’s.
Bis nach oben.
Es ist mehr oder weniger flach eigentlich.
Aber die Luft ist dünn
auf über 4.500 Metern.
Zehn Grad.
Und ich bin müde.
Ich würde am liebsten schlafen.
Augen zu, bisschen rollen lassen…
Die Abfahrten in den Anden
sind wahnsinnig schön.
Aber bergauf ist es echt anstrengend,
weil es kaum Sauerstoff gibt.
Und ich kann nicht immer darauf hoffen,
dass ein Laster anhält und mich mitnimmt.
Muss ich aber auch gar nicht.
Touristische Highlights
darf man natürlich nicht auslassen.
Aber die besonderen Momente entstehen,
wenn man sie nicht erwartet.
DAS BAUMHAUS
50 METER BERGAB
Ich habe einen Kontakt
von jemandem bekommen,
der in Abancay wohnt
und immer mal Reisende aufnimmt.
Mehr hatte man mir nicht verraten.
Als ich etwa fünf Jahre alt war,
also als Kind,
habe ich hier das erste Baumhaus gebaut.
Hier drüben.
Und vor Kurzem gab es eine Familie,
die einen Ort zum Leben brauchte,
weil sie ihre Wohnung verlassen musste.
Also brachte ich sie in mein Haus,
für drei Monate,
und ich zog ins Baumhaus,
weil ich ja auch irgendwo schlafen musste.
Und dann bin ich im Baum geblieben,
weil ich es wirklich mag,
im Baum zu leben.
Ich bin verbunden mit den Tieren,
den Tauben, den Vögeln,
den Ameisen, den Spinnen.
Es ist ihr Haus,
und ich bin so was
wie ein Gast in diesem Baum.
Und das Gute ist, wir haben Wasser, Licht,
Internet, Telefon.
Hier gibt’s alles. Einfach alles.
Hier haben wir
eine kleine Fahrradwerkstadt.
Hier ist eine Küche mit Gasherd.
Wir haben auch ein Bad mit Dusche.
Wenn du abschließen willst,
musst du das hier hinhängen.
BESETZT
Hier ist ein Bett,
und untendrunter ist noch eins.
Das kann niemand entdecken.
Hier ist noch ein Bett,
da ist noch eine große Hängematte.
Und hier unten ist auch noch ein Bett.
Eines Morgens ist mal
hier einer rausgekommen,
dann da, immer mehr,
und ich dachte: Wie viele Leute sind hier?
Und was passiert, wenn es regnet?
Nichts. Wir haben Planen.
Das Wasser fließt direkt zu den Pflanzen.
Die Erinnerungen von jedem Reisenden,
der hier war.
Das ist das beste Geschenk,
das man mir hierlassen kann.
Mittlerweile kommen Leute aus aller Welt.
Fahrradreisende, Backpacker, Touristen…
Und wenn die Leute abreisen,
ist es manchmal so…
…als würde ein Teil unserer Familie gehen,
weil an diesem Ort
keine Hautfarben existieren,
keine verschiedenen Sprachen,
so was zählt hier nicht.
Und alles wird geteilt, alles,
jeden Tag, und das ist wunderbar.
Ich bin so gerne hier
und will auch niemals weg.
-Für mich?
-Auf geht’s!
Wofür?
Weil du unser Freund bist.
Ich bin aus Deutschland.
Bolivianer. Behalte das als Erinnerung.
Genau so.
-Vielen Dank.
-Pass auf dich auf.
Pass auf dich auf.
-Ciao!
-Ciao!
Pass auf dich auf.
Nur weil ich gerade vorbeifahre,
schenken mir die Männer eine Panflöte.
Einfach so.
Der völlig normale Wahnsinn
einer Radreise eben.
Ich fahre als stolzer Botschafter
der Panflöten-Musik
übers Hochplateau von Bolivien.
Hier oben auf fast 4.000 Metern
geht es sehr gemächlich zu.
Viele winzige Dörfer sind weit abgelegen,
und die Bewohner haben
oft wenig Abwechslung.
Genauso wie in diesem hier.
Aber heute ist scheinbar was los.
Irgendwie kommt mir das hier bekannt vor.
Vor 685 Tagen,
am allerersten Tag meiner Reise,
circa 30 Kilometer von daheim,
habe ich so was Ähnliches
schon mal gehört.
Villa Esperanza und Frammersbach.
So weit voneinander entfernt
und doch so nah beieinander.
So langsam scheint sich der Kreis
also zu schließen.
Fast zwei Jahre bin ich nun unterwegs,
und die Entscheidung, wann ich heimkomme,
lässt mich nicht mehr los.
Wir sehen uns dann
in zweieinhalb Jahren oder so.
Natürlich werden die Wunder dieser Welt
nie alle entdeckt sein.
Aber ehrlich gesagt fehlt mir mittlerweile
einfach die Motivation.
Noch ein Land mehr,
noch mal 1.000 Kilometer extra,
noch mal 100 Fotos.
Der tägliche Überfluss an Eindrücken
ist mittlerweile zur Normalität geworden.
Vielleicht wäre die Heimat
der größte Nervenkitzel.
Man sollte meinen, dass ich hier oben
nichts und niemanden mehr erreiche.
Aber wir leben im 21. Jahrhundert.
Hallo?
Servus, Mama, wie geht’s?
Dennis! Schön, dich zu hören.
Wo steckst du gerade?
Du, ich bin gerade hier
auf dem letzten Berg,
auf 4.300 Metern.
Und jetzt geht’s nur noch bergab
und Richtung Rio de Janeiro.
Nach Rio an die Copacabana?
Da soll’s ja auch schön sein.
Ich habe eine Nachricht zu verkünden.
Und zwar habe ich einen Flug gebucht,
und am 22. Juli bin ich daheim.
-22. Juli?
-Ja.
-Zwei Tage vor deinem Geburtstag?
-Ja.
-Wir freuen uns.
-Dann sehen wir uns in…
Ja, in gut zwei Monaten.
-Super!
-Alles klar, Tschö mit Ö.
-Tschö! Mach’s gut.
-Bis dann! Mach’s gut!
Wir sehen uns dann
in zweieinhalb Jahren oder so.
Na ja…
-Was “Na ja”?
-Oder früher.
Was? Nein, ich ziehe das Ding durch.
Ja, vielleicht in zwei Jahren…
Let’s go!
Ich wusste gar nicht,
dass mein Vater Wahrsager ist.
Aber wie gesagt, die Wunder dieser Welt
werden nie alle entdeckt sein.
40.000 Kilometer entsprechen
etwa der Länge des Äquators.
Wie bei den 20.000
kann man sich davon nichts kaufen,
aber schön ist es trotzdem.
Und dann bin ich in Rio angekommen,
der letzten Station
meiner Tour durch Südamerika.
Nachdem ich den Kontinent überquert habe,
muss ich noch ein letztes Mal
ins Flugzeug.
Nach all den Kilometern
fühlt sich die Atlantiküberquerung an,
als wäre ich
in die nächste Stadt gefahren.
Viel näher kann man
dem Zeitreisen kaum kommen.
Der Dresscode in Marokko
ist das Gegenteil zum Dresscode in Rio.
Aber auch solche Kontraste
machen unsere Welt so vielfältig.
Mittlerweile war ich in 37 Ländern
auf sechs Kontinenten,
und mit meinem deutschen Reisepass
hat ja alles relativ problemlos geklappt.
Aber viele Menschen
können sich nicht frei fortbewegen,
nur wegen ihrem Pass.
Dabei steht im allerersten Artikel
der Menschenrechte der UN
in den ersten vier Worten:
“Alle Menschen sind frei.”
Warum werden uns Vorschriften gemacht
und Menschen von Menschen regiert?
Einfache Lösungen
scheint es nicht zu geben,
aber so mancher
ist zumindest auf der Suche.
Wir sind in State Love.
State Love befindet sich
im Herzen von der Altstadt von Marbella.
Entstanden ist das nach der Idee
der Resolution der Vereinten Nationen
mit der Nummer 56/83,
Kapitel 2, Artikel 10:
Wer in einem bestehenden Staat
ein Staatsgebiet besetzt,
der ist die neue Regierung,
das habe ich gemacht.
Als ich zu den UN gereist bin,
bin ich mit meinem Diplomatenpass gereist,
mit diplomatischer Akkreditierung.
Hier ist die Akkreditierung drin.
Und nun bin ich konkludent angenommen.
Eine konkludente Annahme
ist ein internationales Recht.
Und was ist deine Motivation,
einen eigenen Staat zu gründen?
Ich gehe als Vorbild voraus,
und ich zeige:
“Leute, es geht ganz einfach,
wir können in die Freiheit gehen.”
Meine Motivation
ist eine schöne Welt in Frieden.
Okay.
-Hast du einen Einreisestempel?
-Ja, natürlich.
-Hier.
-Okay.
Weiter, weiter…
-Das ist ja alles sehr, sehr ordentlich.
-Genau, weil…
Also, das ist ja geordnet.
Blättere weiter, dann siehst du,
wer unordentlich arbeitet.
Ah, hier.
Es war Mexiko und Guatemala.
Ausreisestempel gibt’s auch?
Nein.
Man kann in State Love nur einreisen.
State Love.
Und jetzt musst du allen erzählen,
dass du in State Love warst,
was du auch machen wirst,
weil es auf deiner Reise liegt.
-Weil es gerade jeder im Film sieht.
-Ja, genau.
Es gibt ihn tatsächlich: State Love.
Jawoll!
Es ist Zeit, nach Hause zu kommen,
und die Preise bestätigen,
dass ich in Mitteleuropa bin.
Eine Kugel Eis in Frankreich
ist so viel wert
wie 43 Teller Nudeln in Myanmar.
Dann erreiche ich auf diesem Radweg
sogar tatsächlich die Grenze
meines Heimatlandes.
Keine Deutschlandflagge, sondern…
…Hinweis zur Radstrecke,
Deichpflege.
Deichpflege.
Ist es schön?
Unser ganzer Stolz: Die Autobahn.
Gibt’s sonst nirgendwo.
Wenn die Erde eine Kugel ist
und ich immer weiter Richtung Osten fahre,
muss ich ja aus dem Westen
wieder nach Hause kommen.
So hatte ich es mir zumindest überlegt.
Und nach fast 44.000 Kilometern
auf dem Fahrrad
biege ich tatsächlich
wieder in die Straße ein,
in der ich
vor über zwei Jahren losgefahren war.
Unfassbar!
Servus!
Wie geht’s?
Schön, dass du wieder da bist!
Jetzt stehe ich hier rum…
Und was hat mir die Sache jetzt gebracht?
Jetzt bin ich ja doch wieder da,
wo ich doch damals nicht sein wollte.
Aber lange werde ich
wahrscheinlich nicht bleiben.
Ich glaube, gelernt zu haben,
was ich momentan
zum Glücklichsein brauche.
Es ist nicht das Geld,
ein teures Auto
oder das neueste Smartphone.
Zwei Räder, Zeit
und die Freiheit zu entscheiden,
wo es als Nächstes hingeht,
das kann schon völlig ausreichen.
Und dass diese Welt so gefährlich sei,
davon habe ich mittlerweile
ein anderes Bild.
Im Gegenteil:
Wir Menschen halten zusammen.
Überall haben mir Unbekannte geholfen,
diese Reise zu meistern:
Ein Gespräch am Wegesrand,
eine Tasse Tee, eine Einladung zum Essen
oder sogar zum Übernachten.
Und meistens war das Besondere
sogar noch was viel Einfacheres…
Was bleibt, ist die Liebe
und ein offener Umgang mit den Menschen.
Und was wir nicht akzeptieren, ist,
dass sie nicht lächeln.
Wie es für mich weitergeht?
Ich weiß es noch nicht.
Aber das ist auch gar nicht so wichtig.
Denn eins ist mir
auf meiner Reise klar geworden:
In der Ungewissheit
verbergen sich die größten Abenteuer.
Die Welt wartet. Sie will entdeckt werden.